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Wer einmal durch den Westen Irlands gereist ist, kennt die oft kilometerlangen Trockenmauern, die das Land einem Spinnwebmuster gleich durchziehen. Die Iren haben solche Lesesteinwälle seit Jahrhunderten angelegt. Das Baumaterial zu diesen Trockenmauern fanden sie gleich auf den steinreichen Äckern und Wiesen. Diese Mauern dienen als Einfriedung für das Vieh, aber auch als Wind- und Erosionschutz, um die oft karge Bodenkrume zu halten. Schon in der Zeit vor der Besiedlung Irlands durch die Kelten erreichte der Trockenmauer eine wahre Blüte, wie mächtige mehrere Tausend Jahre alte Bauwerke wie das Staigue Fort, eine Fliehburg mit mächtigen, bis 5m hohen ringförmigen Trockenmauern, belegt. Auf der steil aufragende Felseninsel Skellig Michel haben Mönche ihre Klausen, die beehive huts, aus Steinen aufgeschichtet ohne jeden Mörtel oder andere Bindemittel. Oder das Gallarus Oratory am Fuß des Mount Brandon. Diese frühen Bauwerke beweisen, dass es für die Stabilität und Lebensdauer weniger auf das Material, als auf das sorgfältigen Aufschichtung und Verfugen von Trockenmauern ankommt.

IRL Gallarus Oratory

Das Gallarus Oratory auf der Dingle Halbinsel/West-Irland, ein Meisterwerk keltischer Trockenbauweise ganz ohne Mörtel und Bindematerial aufgeschichtet (Copyright P.Schröder 1979).

IRL Staigue Fort

Innenansicht des ringförmigen Staigue Fort in Irland, welches mehrere Tausend Jahre alt sein soll, ausschließlich aus mächtigen Trockenmauern von bis zu 5,5m Höhe und 4m Breite errichtet (Copyright P.Schröder 1976).

Während es sich in Irland weitgehend um freistehende Trockenmauern handelt, wurden in Mitteleuropa Trockenmauern vor allem im Weinbau angelegt, um Steilhänge zu terrassieren und auf diese Weise ebene Anbauflächen für die Reben zu erhalten.

Im Garten kann beides sinnvoll und harmonisch in das Gesamtbild eingegliedert werden: Eine Stützmauer zur Stabilisierung von Hängen und dem Anlegen ebener Terrassen oder eine freistehende Trockenmauer, die nicht an einen Hang angelehnt ist. Aber mit Trockenmauern lassen sich auch Hochbeete einfassen, Wege und Treppen säumen. Mit Unterschiedenen in Gestein, Bautechnik und Bepflanzung ist eine individuelle Gestaltung möglich, die sich dem Charakter des Gartens perfekt anpassen lässt. Das mörtellose Mauerwerk bietet mit seinen teilweise offenen Fugen und Ritzen nicht nur eine ideale Siedlungsmöglichkeit für zahlreiche Gebirgspflanzen, sondern bietet auch für Eidechsen und zahlreiche Insekten eine ideale Rückzugsmöglichkeit.

In einem Naturgarten wird man solche Trockenmauern eher aus unbearbeiteten Steinen errichten und mit einheimischen Arten bepflanzen. Im formalen, „archektonischen“ Garten dagegen wird man auf bearbeitetes, kontrastreiches Gesteinsmaterial zurückgreifen, welches zu auffälligen Strukturen aufeinandergeschichtet und mit dekorativen Pflanzen besetzt wird.

Damit die Trockenmauer stabil bleibt, muss die Anlage sorgfältig geplant und ausgeführt werden. Egal ob es sich dabei um eine freistehende Trocken- oder eine Hangmauer, das Fundament muss stabil sein. Das Fundament sollte mindestens ein Drittel der Mauerhöhe tief in den Boden reichen. Das Fundament sollte aus gut verdichtetem Schotter oder Bruchsteinen der Größenklasse 30 bis 60mm bestehen. Wichtig ist neben der Stabilität gebenden Funktion des Unterbaues, dass das Hangwasser in solch einer gut dränierten Schicht abgeleitet werden kann. Die erste Steinreihe wird etwa 10cm tief in den Boden eingelassen. Dazu werden besonders große, schwere und flach aufliegende Steine gewählt. Die Ecksteine müssen besonders sorgfältig ausgewählt werden, da sie von 2 Seiten sichtbar bleiben.

Bei einer Schichtmauer werden die folgenden Steinreihen so aufeinander geschichtet, dass waagerecht durchlaufende Fugen gebildet werden. Die Wechselsteinmauer ist etwas aufwendiger gestaltet. Hier werden die waagerechten Schichten durch einzelne größere Steine, die sogenannten Wechsler, unterbrochen. Diese Wechsler müssen in der Aufsicht quadratisch sein und dürfen nur die doppelte Höhe wie die Schichtsteine haben. In jedem Fall müssen durchgehende senkrechte Fugen oder gar Kreuzfugen, bei denen vier Steine aufeinandertreffen, unbedingt vermieden werden, da sie die Trockenmauer destabilisieren. Die Neigung hangwärts sollte bei niedrigeren Mauern 10 bis 20%, bei hohen Mauern 30% betragen. Die Hangmauer wird mit weniger gut erhaltenen Steinen und Bruchmaterial hintermauert und stabilisiert. Zur Stabilisierung tragen außerdem einzelnen Ankersteine bei, die tiefer in Füllmaterial und Hang hineinreichen. Um das Hangwasser abzuleiten, wird ein poröses Dränrohr parallel zur Mauer in dem zur Hinterfütterung dienenden Material verlegt.

Für eine Trockenmauer geeignetes Steinmaterial ist in ausreichender Menge im Baustoffhandel kaum noch zu bekommen und entsprechend teuer. Eine Hangmauer kann man deshalb auch als Scheintrockenmauer anlegen. Dazu wird der sichtbare Teil einer Betonmauer mit Natursteinen verblendet. Diese Blendsteine haben lediglich eine Tiefe von 10 bis 12cm und müssen mit Mörtel verbunden werden, daher bleiben keine offene Fugen und Ritzen, in die man Pflanzen setzen könnte.

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Die mächtige, mehrere Meter hohe Mauer rund um das Areal des alten Boyneburger Schlosses in Wichmannshausen /Hessen ist aus grob behauenen Sandsteinblöcken aufgeschichtet. Die raue Oberflächenstruktur bietet empor rankenden Wildstauden genügend Halt. In den Fugen hat sich Moos angesiedelt.

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Diese im Aufbau einer sogenannten Zyklopenmauer errichteten, mächtigen Trockenmauer dient zur Hangsicherung. Die zahlreichen Lücken und Ritzen bieten zahlreichen Pflanzen und Tieren Refugien.

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Das Zimbelkraut besetzt die Fugen und Ritzen einer Trockenmauer.

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Hier füllt eine Fetthenne (Sedum spec.) eine Dehnfuge zwischen den Schlusssteinen einer Mauerkrone lückenlos aus.

Zur Bepflanzung der Mauerkrone eignen sich kleine, aufrecht wachsende Pflanzen wie Feder-, Felsen.- und andere Nelkenarten oder die Zwerg-Schwertlilie sowie von der Mauer

herabhängende Pflanzen wie Thymian, einige Mauerpfefferarten (z. B. Sedum acre, album oder rupestre, Hornkräuter oder der Rote Waldmeister (Crucianella stylosa). Außerdem zahlreiche Polsterpflanzen (niedrige Phlox-Sorten, Mannschild, Katzenpfötchen). In die Fugen und Ritzen kann man Hauswurz-Arten (Sempervivum und Jovibarba), Grasnelken, Alpennelke, Leimkraut, Zimbelkraut und Frauenfarn setzen. Vor den Mauerfuß setzt man am besten kleine Zwergsträucher oder schlanke, hochwachsende Formen wie die Stockmalve oder eine Königskerze.

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An den Fuß einer Trockenmauer kann man schlanke, hohe Solitärstauden wie die Stockmalve setzen.